Töchter und Söhne Gottes werden

 

Gedanken zum Abendmahl der Konfirmand*innen
von Pfarrerin Brigitte Fenner

 „Was noch aus uns werden wird…“ so lautet der Titel, den die diesjährigen Konfirmand*innen sich für ihren Vorstellungsgottesdienst im März gewählt haben. Sie haben abenteuerliche Lebenswege für jeden erfunden, allesamt Erfolgsgeschichten, denn dem Konfi-Team schien, dass die Jugendlichen Zuversicht zurückgewinnen müssen, Vertrauen in das Gefühl: Alles kann gut werden. Das Leben ist schön.  

Beim Abendmahl im Alten Pfarrhaus sitzen sie unter einer großen selbstgemachten Bildscheibe, die vor vielen Jahren von Friedrich Blanke mit Jugendlichen unserer Gemeinde erstellt wurde. Sie hängt über der Tür, die zum Kaminraum und zur Küche führt. Wir gehen oft durch diese Tür, ohne sie zu bemerken. Darauf steht: Töchter und Söhne Gottes werden… Wir – Teil der Erde

Ja, das kann auch noch aus den Jugendlichen werden. Oder sind sie es schon? Durch die Taufe zum Beispiel? Wie wird man das, ein Sohn, eine Tochter Gottes? Und ist das ein noch nicht wahrgenommenes Ziel? Ein noch unbekannter Traum?

Die Jugendlichen, mit denen Friedrich damals diese Scheibe erstellt hat, sind mittlerweile erwachsen. Sie könnten Eltern sein oder vielleicht sogar schon Großeltern. Denn Friedrich ist mittlerweile neunzig Jahre alt. Anfang der achtziger Jahre, da kam er aus Namibia zurück und wollte seine Erfahrungen nun mit jungen Menschen in Deutschland verarbeiten. Im wahrsten Sinne des Wortes ver-arbeiten: Mit den Händen, die etwas zu tun bekamen, durch Gespräche, Diskussionen und Provokationen.

Töchter und Söhne Gottes werden…

Das war seine Botschaft und sie beschäftigt ihn bis heute. Wie geht das? Er hat sich gewünscht, dass in der Winterkirche einmal darüber gepredigt wird. Und dass dabei wieder Jugendliche da sind, passt gut. Auch der zweite Satz ist ihm wichtig. „Wir, Teil der Erde“. Nicht jeder nur für sich allein. Söhne und Töchter Gottes werden, aber eben nicht „Ich, ich, ich“, sondern immer zugleich: „Ich und du und Gott“ und die Verbindung zur Welt, die uns umgibt. Nur „Ich, ich, ich“ reichte nicht aus. Das wäre infantil – kindisch – das ist nicht gemeint mit der Gotteskindschaft. Wenn etwas aus uns werden soll, dann gehört das Erwachsenwerden dazu. Töchter und Söhne Gottes sind erwachsen. Das heißt, sie sind verbunden miteinander und mit anderen Menschen bis hin nach Namibia. Alles, was mir hier geschieht, alles, was ich tue, hat Auswirkungen auf andere Menschen und andere Teile der Welt und auf die Erde, auf der wir leben. Und umgekehrt gilt es auch: Alles, was andere tun und was woanders geschieht, hat Auswirkungen auf mein Leben und entscheidet mit, ob meine Träume wahrwerden können, oder ob sie Spinnerei bleiben.

„Söhne und Töchter Gottes werden – Wir – Teil der Erde!“

Was könnte „Träger“ dieser Botschaft werden, hat Friedrich sich gefragt? Welches Material? Man sieht es der Scheibe nicht an, aber sie besteht aus lauter Bildzeitungen, die Jugendliche gesammelt und dann mühevoll in Streifen gerissen haben, die sie dann mit den Händen vermatscht und glattgestrichen und festgedrückt haben. Schließlich haben sie den Globus hineingemalt, mit Naturbinsen oder Hanfseilen den Zusammenhalt geschaffen. Und die Buchstaben in schöner Symmetrie aufgetragen…. Sehr viel Mühe steckt darin, damit am Ende doch eine gewisse ästhetische Vollkommenheit entsteht. „Gott schreibt unsere Lebensgeschichten nicht auf Büttenpapier“, hast du mir immer wieder dazu gesagt, „sondern auf dem Abfall unserer Welt.“ Hat Friedrich ihnen gesagt. Gut aussehen soll es am Ende trotzdem.

Was hat das nun mit den heutigen Konfirmand*innen zu tun, mit ihren Träumen, mit ihrer Sehnsucht, dass das Leben gut wird? Schränkt es sie nicht fast schon wieder ein? Deren letzte Schulzeit war von Corona geprägt. Sie haben viel am Computer gesessen, mussten alleine klarkommen mit Hausaufgaben und konnten neue Lehrer in den weiterführenden Schulen viel zu kurz persönlich kennenlernen. Und die neuen Mitschüler*innen auch nicht. Lernerfahrungen, wie Friedrich sie in seiner Berufsschule umgesetzt hat, waren in den letzten zwei Jahren vollkommen unmöglich - kreative Materialschlachten, alles eng gemeinschaftlich... No way. Und dann waren sich auch der Druck und die Ängste Eurer Eltern spürbar. Deren zunehmender Stress. Wie sollten sie als Eltern alles schaffen? Arbeiten, gute Eltern sein und zugleich Eure Lehrer*innen für die Kinder. Alles Zuhause, teilweise auf engem Raum. Erst seit gut einem halben Jahr – ich vergesse das immer wieder -  geht das Leben wieder „normal“ los. Aber ist man darum schon frei? So als müssten wir jetzt nur mit dem Finger schnipsen?

 Von mir aus dürfen meine Konfis gerne noch eine Weile „Ich, ich, ich“ sagen. Ihre Lebensentwürfe dürfen noch abenteuerlicher werden. Daran arbeiten wir noch. Aber sie haben unbemerkt auch längst „Du, Du, Du“ gesagt. Der Clou im letzten Unterricht bestand ja darin, dass sie nicht für sich das Beste vom Besten geträumt haben, sondern für einen oder eine Mitkonfirmandin. Sie haben ein Los gezogen mit dem Hobby oder einem Lebenswunsch eines andern und daraus eine großartige Geschichte gemacht. Die Konfirmand*innen sind durchaus soziale Wesen. Für einen anderen können sie es gut meinen.

Wenn wir Abendmahl feiern, dann stehen sie in einem Kreis zusammen, nicht ganz so rund, wie die Scheibe über der Tür, aber doch sichtbar. Sie gehören an den Tisch Gottes, sie sind eingeladen als Söhne und Töchter Gottes, jeder für sich und doch zusammen. Sie sind Teil eines Ganzen. Womöglich fühlen sie dabei, dass nicht nur ihr einen Traum für sich haben, sondern dass ein anderer längst für Euch mitträumt. Unbemerkt. So unbemerkt, wie wir unter der Tür vom Saal zur Küche hindurchgehen und diese Worte über uns schweben.

Söhne und Töchter Gottes… Wir sind es schon und werden es noch. Amen

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Ich schäme mich des Evangeliums nicht!