Die Glocken

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Die Glocken der Dorfkirche Heiden

1605 kam es durch die Einführung des reformierten Bekenntnisses calvinistischer Prägung in Lippe seitens Graf Simon VI. zur radikalen Beseitigung der früheren Kirchenausstattungen („Bildersturm“).

Das hatte Folgen auch für die Glocken. Der Glockenbestand jeder Kirche wurde auf maximal zwei Glocken festgeschrieben, schadhafte Glocken wurden nicht mehr erneuert, sondern ersatzlos entfernt. Einzige Ausnahme in Lippe: Heiden.

Die Größte:
1466 von Hans Grawick gegossen.
Signatur und Datierung beigefügt: „god geve siner sel rad“.
Anschlagton: des 1, Schlagton: des'-2 
Gewicht: ca. 1.330 kg
Durchmesser: 1,33 m/ Höhe: 1,20 m

Die Mittlere:
Aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert
Anschlagton: f 1, Schlagton: f'+2
Gewicht: ca. 1.090 kg
Durchmesser: 1,20 m/  Höhe: 1,00 m

Die Kleinste:
Um 1300 
Anschlagton: c 2, Schlagton: c''+7
Gewicht: ca. 407 kg
Durchmesser: 0,82 m Höhe: 0,73 m

In Heiden ist der komplette mittelalterliche Bestand eines dreistimmigen Geläutes aus vor-reformatorischer Zeit unversehrt geblieben, obwohl die Inschriften nicht mit dem reformatorischen Verständnis calvinistischer Prägung übereinstimmten. Die jahrhundertealten Glocken waren identifikationsstiftend und Heiden hatte Glück. Sie überstanden auch den Brand des Turmhelms 1633 und später beide Weltkriege. Aufgrund ihres hohen Alters wurden sie von der Enteignung während des 2. Weltkrieges freigestellt. 2004 erfolgte eine Restaurierung und Aufhängung an neuen, dem Altbestand angepassten Holzjochen, durch die Fa. Lachenmeyer.

Bis 1952 wurden die Glocken von Hand geläutet. Bis heute läuten sie zu glücklichen Anlässen, zum Abschied und als Einladung in den Gottesdienst.

Der Glockenstuhl der Dorfkirche Heiden

Die hölzerne Binnenkonstruktion zeigt den baulichen Werdegang des Turms:

Der untere Teil ist deutlich älter als das Obergeschoss mit der heutigen Glockenstube.

In diesem Turmabschnitt steht oberhalb des 1957 rekonstruierten Turmhallengewölbes der Unterbau eines älteren, heute nicht mehr existierenden Glockenstuhles.

Laut der dendrochronologischen Untersuchung (Tisje, Neu-Isenburg v. 25.09.1996) wurde die Konstruktion in den 1390er Jahren aufgerichtet:

vier Eckständer mit je einem Zwischenständer in Wandmitte, die auf einer rundum laufenden, auf einem Mauerabsatz aufliegenden Schwelle stehen ff.

Auf diesem Unterbau stand einst der das Geläute tragende eigentliche Glockenstuhl. Im Bereich der ursprünglichen Glockenstube befinden sich im Mauerwerk noch die rundbogigen, teils mit Kleeblattbögen versehenen einstigen Schallöffnungen. Dort hingen also schon die beiden ältesten Glocken. Der Glockenstuhl existiert jedoch nicht mehr.

Im Bereich der früheren Glockenstube befindet sich heute ein niedriges Zwischengeschoss, um den eigentlichen Glockenstuhl in die Höhe der heutigen Schallöffnungen zu bekommen. Im Zwischengeschoss sind Hölzer mit Fälldaten des späten 14. und 16. Jahrhunderts verbaut, die älteren wohl in Zweitverwendung.

Hier steht heute die Uhrenstube mit einer stillgelegten mechanischen Turmuhr (20. Jh.).

Der heutige Glockenstuhl konnte dendrochronologisch in die 1540er Jahre datiert werden.

Die größte Glocke im Kirchturm der Dorfkirche Heiden.

Die größte Glocke

1466 von Hans Grawick gegossen. Seiner Signatur und Datierung beigefügt: „god geve siner sel rad“.

 Anschlagton: des 1, Schlagton: des'-2

Gewicht: ca. 1.330 kg/ Durchmesser: 1,33 m/ Höhe: 1,20 m

Inschrift (an der Schulter) in gotischen Minuskeln:

Die Toten betrauere ich, die Lebenden rufe ich, die Blitz breche ich
[gegossen zu Ehren] der Apostel Petrus und Paulus im Jahre des Herrn 1466, am dritten Tage nach dem Fest der Hl. Aegidius
(September 1)

=> Tag des Gusses: 3. September 1466.

Die Nennung der Apostel Petrus und Paulus bezieht sich auf das vorreformatorische Patronat der Heidener Kirche, denen wohl auch die Glocke geweiht war.

Am unteren Rand eine weitere Inschrift auch in gotischen Minuskeln: Signatur des Gießers, Namen zweier Kirchenvorsteher der Heidener Kirche aus den Bauernschaften Orbke und Jerxen.

Auf der Flanke der Glocke: Abdrücke von fünf Bracteaten (kleine mittelalterliche Münzen)

Die mittlere Glocke der Dorfkirche Heiden.

Die mittlere Glocke

Aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts

Anschlagton: f 1, Schlagton: f'+2

Gewicht: ca. 1.090 kg
Durchmesser: 1,20 m Höhe: 1,00 m

Schulterinschrift in gotischen Minuskeln zwischen zwei Stegen:
NOBIS PROPICIA SEMPER SIS VIRGO MARIA = Heilige Maria sei uns stets gnädig.

Kein Hinweis auf den Gießer, nur die gleiche unverwechselbare Schriftform wie auf der auch undatierten Glocke in Donop.

„Klanglich ein erstklassiges Meisterwerk mittelalterlicher Glockenkunst“
(Claus Peter, Glockensachverständiger)

Die mittlere Glocke der Dorfkirche Heiden.

Die kleinste Glocke

Um 1300

Anschlagton: c 2, Schlagton: c''+7

Gewicht: ca. 407 kg
Durchmesser: 0,82 m
Höhe: 0,73 m

Schulterinschrift zwischen „zwei erhabenen, leicht gekehlten Bänder in kräftig reliefierten gotischen Majuskeln:
RECTOR CELI NOS EXAUDI TV DIGNARE NOS SALVARE = Lenker des Himmels, erhöre uns! Erweise dich gnädig, uns zu erretten.

Gießer unbekannt

Quelle: Claus Peter, Die Glocken der Kirche zu Heiden und ihre Restaurierung, Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 2.06